frg/agravis. WIESBADEN/MÜNSTER. 4. März 2021 – Dass die Klauengesundheit erhebliche Auswirkungen auf den wirtschaftlichen Erfolg eines Milchviehbetriebs hat, ist unumstritten. Aber welche Ursachen sind für Klauenerkrankungen wie Mortellaro verantwortlich und gegen welche „Gegner“ müssen Landwirte kämpfen? Tierarzt Dr. Bernhard Lingemann von der AGRAVIS Futtermittel GmbH klärt auf.
Sie sprechen manchmal von den „big three“? Was meinen Sie damit?
Lingemann: Frage ich Landwirte nach den wichtigsten Klauenerkrankungen in ihren Beständen, sind die Antworten häufig sehr ähnlich gelagert: Mortellaro, Sohlengeschwüre und Reheerkrankungen. Die hartnäckigste der eben genannten Erkrankungen ist für viele Landwirte die Dermatitis digitalis, besser bekannt als Mortellaro. Das sind für mich zwar bei Weitem nicht die einzigen relevanten Klauenerkrankungen, aber sie zählen für mich zu den „großen drei“ Erkrankungen, wenn man über Klauengesundheit bei der Milchkuh spricht.
Wie kommt es zu „Mortellaro“ im Bestand?
Lingemann: Bei der Dermatitis digitalis handelt es sich um eine infektiöse Klauenerkrankung, die in ihrer Entstehung aber sehr komplex ist. So bedarf es mehrerer Faktoren, um einen Fall dieser Erkrankung auszulösen. Eine feuchte Umgebung und das Vorhandensein bestimmter Erreger (Treponema) sowie eine Reizung der Haut begünstigen eine Infektion. Die Erreger setzen sich dann in den tiefen Hautschichten fest und verrichten von dort ihr Unheil. Die Erkrankung und die Ausprägung sind Landwirte leider kaum unbekannt. Zu 90 Prozent findet man sie an den Hinterklauen im hinteren Zwischenklauenbereich im Übergang vom Horn zur Haut.
Wie kann ich als Tierhalter Mortellaro am besten bekämpfen?
Lingemann: Sollten Sie zu den wenigen glücklichen Landwirte gehören, die einen Bestand haben, der frei von Dermatitis digitalis ist, sollten Sie alles tun, damit es so bleibt. Achten Sie auf die Biosicherheit in Ihrem Bestand. Das bedeutet: Personen, die den Bestand betreten, sollten unbedingt betriebseigene Kleidung und Stiefel verwenden. Dieser Hinweis ist natürlich genauso wichtig in Beständen, die schon mit dem Erreger im Kontakt sind.
Hier heißt es im Besonderen: Schützen Sie Ihre Rinder bzw. die Nachzucht. Sollten Sie im Bestand der melkenden Tiere Probleme haben, können die Erreger schnell auf die Rinder übertragen werden. Die Hygiene der Stiefel beim Wechsel der Stallungen spielt eine wichtige Rolle beim Schutz der Jungtiere. Ein Tier, das sich einmal infiziert hat, wird die Erreger nie wieder los, da sich diese in die tiefen Hautschichten setzen. Von dort sind sie nicht mehr zu entfernen, und können bei ungünstigen Umweltbedingungen im Stall erneut für Probleme sorgen. Grundsätzlich gilt: Je sauberer und trockener die Laufgänge sind, desto besser. Bei Problemen im Stall kann es helfen, kontinuierlich Klauenbäder mit zugelassenen Mitteln wie zum Beispiel Desintec HoofCare Special durchzuführen, um den Erregerdruck zu senken. Hier ist unbedingt auf die korrekte Konzentration bei der Anwendung zu achten. Ist sie zu niedrig, bleibt die Wirkung aus. Ist sie zu hoch, kommt es zu Schäden an der Haut und die Situation verschlimmert sich weiter.
Wichtig ist: Akute Fälle von Dermatitis digitalis können nicht mit einen Klauenbad „behandelt“ werden. Diese Fälle gehören unter Verband. Sprechen Sie hier mit Ihrem Hoftierarzt, er kennt die hierfür zugelassenen Mittel. Und vergessen Sie keinesfalls die Verbände nach fünf bis sieben Tagen zu entfernen.
Was kann ich als Landwirt zusätzlich tun, um die Lage in den Griff zu bekommen und die Klauengesundheit der Herde zu verbessern?
Lingemann: Die regelmäßige funktionelle Klauenpflege hilft. Sie sollte je nach Herdenleistung und Bodenbeschaffenheit zwei bis drei Mal im Jahr durchgeführt werden. Die Klauenpflege ist auch essenziell, um Sohlengeschwüre zu vermeiden bzw. zu minimieren.
Zum Schluss ein Blick auf die fehlende der drei häufigsten Klauenerkrankungen in den Milchviehbeständen: Was ist die Ursache der Klauenrehe? Was können Tierhalter präventiv tun?
Lingemann: Die Ursache ist oft in einer Überbelastung der Klauen in Kombination mit Problemen bei der Fütterung begründet. Im Endeffekt kommt es zu einer schlechteren Durchblutung an den Klauen und zur Ausbildung von minderwertigem Klauenhorn. Häufig sind auch Einblutungen in das Sohlenhorn sichtbar. Hier gilt es insbesondere im geburtsnahen Zeitraum, den Liegekomfort der Tiere im Blick zu haben. Die Entlastung beim Liegen hilft bei der Ausbildung von besserem Klauenhorn. Vermeiden Sie in der Transitphase lange Stehzeiten und lange Treibwege auf hartem Untergrund. Darüber hinaus ist eine wiederkäuergerechte Fütterung von hoher Wichtigkeit.
Kontaktdaten Dr. Bernhard Lingemann
Weitere Informationen bei gibt es bei
- Dr. Bernhard Lingemann, Ansprechpartner für Rindergesundheit
- Telefon: 02 51 / 6 82 – 22 86
- E-Mail: bernhard.lingemann@agravis.de
04.03.2021; AGRAVIS Raiffeisen AG; in: Medienservice 03/2021 von Donnerstag, dem 04.03.2021, mit dem Titel „Klauenerkrankungen bei Rindern – Ursachen, Therapie und Prophylaxe “; https://www.agravis.de/de/agravis-aktuell-digital/artikel-seiten/klauenerkrankungen_bei_rindern_/
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Foto: Peter Gaß. Ein Motiv aus dem Fotoalbum „Agrarwende“, 1. Auflage 2021